Neuigkeiten vom BGH zu insolvenzabhängigen Lösungsklausel
11. April 2023

BGH (IX. Zivilsenat), Urteil vom 27.10.2022 – IX ZR 213/21

 

Erneut rücken Unternehmensinsolvenzen vermehrt in den Fokus der Öffentlichkeit. Die wirtschaftliche Schieflage eines Vertragspartners sorgt dabei regelmäßig auch auf Seiten der Gläubiger für Unruhe, kurzfristige Handlungsmöglichkeiten werden geprüft und oftmals wird der Vertragspartner mit der Einstellung der Geschäftsbeziehung konfrontiert.

 

Insolvenzabhängige Lösungsklauseln: Vertragsauflösung bei Insolvenzsituation

Die Gläubiger berufen sich hierzu regelmäßig auf sog. weit verbreitete „insolvenzabhängige Lösungsklauseln“, die bereits das Vorliegen eines Insolvenzgrundes, den Insolvenzantrag oder die Insolvenzeröffnung als Gründe sehen, einen Vertrag fristlos zu beenden. Dabei ist dieses Vorgehen rechtlich oftmals unwirksam, denn die Insolvenzordnung hat u.a. das Ziel, dem Schuldner möglichst große Sanierungsmöglichkeiten zu verschaffen und zudem die Insolvenzmasse zu sichern. Je mehr Gläubiger daher günstige Verträge kündigen würden, umso mehr würden entsprechend auch die Chancen des Insolvenzschuldners auf eine erfolgreiche Sanierung sinken.

Die Wirksamkeit insolvenzabhängiger Lösungsklauseln ist daher anhand der Insolvenzordnung, insbesondere §§ 103, 119 InsO, zu bewerten: Der Insolvenzverwalter hat das Wahlrecht, über die Fortführung noch nicht vollständig erfüllter Verträge zu entscheiden, vgl. § 103 InsO. § 119 InsO untersagt vertragliche Regelungen, die die Vorschriften der Insolvenzordnung im Voraus außer Kraft setzen.

 

Insolvenzbedingte Vertragsauflösung: Rechtliche Wirksamkeit

Ob insolvenzabhängige Lösungsklauseln damit generell unwirksam sind, ist in der Rechtsprechung und Literatur seit Jahren umstritten. Geprägt wird die Diskussion durch ein Urteil des BGH aus 2012 (Az.: IX ZR 169/11), wonach insolvenzabhängige Lösungsklauseln in Verträgen über die fortlaufende Lieferung von Waren und Energie, die an den Insolvenzantrag oder die Insolvenzeröffnung anknüpften, unwirksam seien, da sie die Wahlmöglichkeit des Insolvenzverwalters aushöhlen. Eine Ausnahme gelte laut BGH jedoch für den Fall, dass das Gesetz bereits eine Lösungsmöglichkeit vorsieht, die der insolvenzabhängigen Lösungsklausel entspricht. In der Folge sah die Rechtsprechung beispielsweise insolvenzabhängige Lösungsklauseln in Bezug auf Bauverträge regelmäßig als wirksam an, da sie eng an die gesetzlichen Lösungsmöglichkeiten des Werkvertragsrechts angelehnt seien (vgl. BGH VII ZR 56/15).

 

BGH (IX. Zivilsenat), Urteil vom 27.10.2022 – IX ZR 213/21

Im November 2021 beurteilte jedoch das OLG Celle als Berufungsgericht die Kündigung eines Beförderungsvertrags aufgrund der Insolvenz des Busunternehmens als unwirksam. Die Praxis erhoffte sich von der Entscheidung des daraufhin angerufenen BGH weitere Klarheit zu insolvenzabhängigen Kündigungsmöglichkeiten.

Der BGH (Az.: IX ZR 213/21) hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das OLG Celle zurückverwiesen. Wenngleich mit dem Urteil nicht die gewünschte Klarheit im Hinblick auf insolvenzbedingte Lösungsklauseln einhergeht, ermöglicht es weitere Schlussfolgerungen zum Umgang mit solchen Regelungen:

 

Laut BGH sind insolvenzabhängige Lösungsklauseln jedenfalls nicht per se unwirksam. Insbesondere soll eine insolvenzbedingte Kündigungsmöglichkeit wirksam sein, wenn sie eng an eine bestehende gesetzliche Lösungsmöglichkeit angelehnt ist und eine Gefahr abdeckt, die bereits bei Vertragsschluss

im Zusammenhang mit einer Insolvenz gesehen wurde. Hier wären beispielsweise Fälle aus dem Werkvertragsrecht zu nennen, in denen bereits das Gesetz eine Kündigung aus wichtigem Grund zulässt. Auch in anderen Fällen, in denen das Gesetz eine Kündigung aus wichtigem Grund vorsieht, können insolvenzbedingte Lösungsklauseln wirksam sein, denn entscheidend sei hier regelmäßig auch die Zuverlässigkeit des Vertragspartners. In solchen Fällen könnten sie oftmals dazu dienen „die Frage des Lösungsgrundes rechtssicher auszugestalten und nicht mehr von den schwierigen, streitanfälligen und möglicherweise nur schwer beweisbaren Umständen des Einzelfalls abhängig zu machen“. Eine Einschränkung nimmt der BGH jedoch noch vor, indem er eine Ausübungskontrolle anführt: d.h. die Kündigung kann unter Umständen mit Blick auf die Interessen des Insolvenzschuldners treuwidrig und damit unzulässig sein, was anhand einer Interessenabwägung im konkreten Einzelfall zu beurteilen ist. Unwirksam seien zudem regelmäßig wohl weiterhin insolvenzabhängige Lösungsklauseln zugunsten eines Geldleistungsgläubigers.

 

Praxisauswirkungen: Insolvenzsituation und Handlungsmöglichkeiten

Es bleibt festzuhalten, dass eine Insolvenzsituation beim Vertragspartner nicht ohne weiteres dazu führt, dass ein Gläubiger von seiner Pflicht zur Leistung frei wird und sich vom Vertrag loslösen kann. Oftmals muss die Leistung daher weiterhin vertragsgemäß erbracht werden.

Unternehmen sollten sich daher für den Fall einer Insolvenz ihrer Vertragspartner entsprechend absichern. Hierzu bestehen vielfältige Möglichkeiten, bei deren Prüfung und Umsetzung wir Sie gerne unterstützen können. Ob auch insolvenzabhängige Lösungsklauseln herangezogen werden können, wird dabei weiterhin anhand des konkreten Einzelfalls zu beurteilen sein. Abzuwarten bleibt in diesem Zusammenhang, welche weiteren Konkretisierungen die Rechtsprechung zur Zulässigkeit insolvenzabhängiger Lösungsklauseln vornehmen wird.

Sprechen Sie uns gerne an, wenn wir Sie bei der Prüfung und Gestaltung Ihrer Verträge unterstützen können!

 

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WR Legal Weßling Rinnert Neven Arndt Biemann Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB
Niederkasseler Lohweg 18 | 40547 Düsseldorf
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