§ 46 Nr. 5 GmbHG bestimmt, dass die Gesellschafter über die Entlastung der Geschäftsführer zu entscheiden haben, ohne weitere Details zur Entlastung zu nennen. Es steht im Ermessen der Gesellschafter, über die Entlastung zu beschließen. Einen Anspruch der Geschäftsführung auf eine entsprechende Beschlussfassung oder gar die Entlastung selbst besteht nicht. Verweigert die Gesellschafterversammlung auf entsprechenden Antrag der Geschäftsführung die Entlastung, steht dem betroffenen Geschäftsführer aber das Recht zur Amtsniederlegung sowie ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 626 BGB zu (Carsten Schmidt in Scholz GmbH-Gesetz, 11. Aufl. § 46 Rn. 100 ff., mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).
Sofern keine Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten vorliegen, werden in der Praxis häufig Entlastungen mit eher allgemein gehaltenen Formulierungen beschlossen, etwa wie folgt:
„Der Jahresabschluss für das Geschäftsjahr xy wird festgestellt. Dem Geschäftsführer XY/der Geschäftsführung wird Entlastung erteilt.“
Eine derartige Beschlussfassung enthält keinerlei Einschränkung, weshalb man sich der Reichweite bewusst sein sollte. Gebilligt wird die gesamte Geschäftsführung, mindestens für das zurückliegende Geschäftsjahr. Die Gesellschaft verzichtet damit auf das Recht, aus den in diesem Zeitraum fallenden Maßnahmen oder Versäumnissen der Geschäftsführer Ansprüche gegen diese herzuleiten.
Nach gängiger Rechtsprechung werden in tatsächlicher Hinsicht allerdings nur solche Ansprüche gegen die Geschäftsführer erfasst, die auf Tatsachen beruhen, die der Gesellschafterversammlung bei ihrer Entscheidung entweder positiv bekannt oder für diese bei sorgfältiger Prüfung zumindest erkennbar waren (BGH, Urteil vom 21. April 1986-II ZR 165/85, seitdem stetige Rechtsprechung). Das ist schon deshalb richtig, weil die Gesellschafter die Geschäftsführer überwachen, diese aber nicht ersetzen. Die Gesellschafter sind in der Regel außerstande, umfassende Prüfungsmaßnahmen durchzuführen, und solche Maßnahmen sind ihnen auch nicht zumutbar. Damit sind unbekannte Tatsachen von der Entlastung nicht erfasst; allerdings ist die Grenze zu den erkennbaren Tatsachen mitunter fließend. Wichtig: Für die Kenntnis bzw. die Erkennbarkeit kommt es auf alle und nicht nur einzelne Gesellschafter an.
Daraus folgt:
Die Gesellschafter haben sämtliche Unterlagen, die ihnen verfügbar gemacht werden, zu prüfen und auszuwerten, ggf. mit der Unterstützung Dritter. Unterlässt die Geschäftsführung, auf bestimmte Umstände ausdrücklich hinzuweisen, die auf etwaige Pflichtverletzungen hindeuten, ergeben sich diese aber auch nur andeutungsweise aus vorgelegten Unterlagen, ist das Risiko groß, dass die Präklusionswirkung des Entlastungsbeschlusses auch derartige Ansprüche erfasst.
Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung der Geschäftsführung können sich aber nicht nur aus vorgelegten Unterlagen ergeben. Maßgeblich sind sämtliche im Zusammenhang mit der Amtsausübung bekannten Umstände, das heißt auch mündlich mitgeteilte oder sonstige sichtbare Umstände. Auch solche Tatsachen, die den Gesellschaftern durch Ausübung des gesetzlichen Auskunfts- und Informationsrechts hätten bekannt werden können, vorausgesetzt die Geschäftsführung hat den Gesellschaftern hierzu ausreichend Gelegenheit gegeben, sind Umstände, die jedenfalls erkennbar sind.
Auch die private Kenntnis aller Gesellschafter genügt. Die Gesellschafter haben daher auch beiläufigen Erläuterungen und Erklärungen der Geschäftsführung auf Firmenveranstaltungen, etc. stets Beachtung zu schenken. Unklar ist allerdings hier, ob insoweit nur positive Kenntnis oder auch bloße Erkennbarkeit reicht.
Für die Praxis:
Die Gesellschafterversammlung kann die Entlastung von vornherein zeitlich und inhaltlich einschränken, ohne konkreten Anlass etwa, indem sie diese stets auf solche Umstände beschränkt, die der Gesellschafterversammlung positiv bekannt sind oder etwa solche, die sich aus Niederschriften zu Gesellschafterversammlungen ergeben.
Bei konkretem Anlass sind etwa Teilentlastungen möglich und empfehlenswert („Entlastung mit Ausnahme von …“ oder „Entlastung für Zeitraum x bis y“).
Bei Unklarheiten können Entlastungsanträge der Geschäftsführung auch zunächst zurückgestellt werden.
RA Dr. Marc Weßling